Wer ist JR?
1983 in den Outskirts von Paris geboren, begann JR sich früh für die Straßenkultur zu interessieren. Bereits mit 14 Jahren sprühte er unter dem Namen „Face 3“ Graffitis. Einen neuen Fokus fasste er mit 17 Jahren, als er an einem Fotografiekurs teilnahm und zufällig eine Kamera in der U-Bahn-Station Charles de Gaulle fand, die ein Tourist vergessen hatte. Schnell fand er ein Lieblingsmotiv: Graffitisprayer in Aktion. Er klebte die Fotos an Straßenwände, rahmte sie in Farbe ein und beschriftete sie mit „Expo de Rue“. JR wurde so zu seinem eigenen Kurator. Dabei entdeckte er, dass seine Fotos einen stärkeren emotionalen Effekt erzielten, als es seine Graffitis taten. Er erkannte außerdem, dass es bei Fotos wichtig ist, was man damit macht. Aus diesem Gedanken heraus entwickelte JR sozialkritische Projekte im größeren Stil und auf internationaler Ebene.
JR: Chronicles Kooperation mit Kunsthalle München bis Januar 2023
Die Kunsthalle München zeigte vom 26. August 2022 bis zum 15. Januar 2023 mit JR: Chronicles die bisher größte Retrospektive des französischen Künstlers JR (*1983) in Deutschland. Seine Ausstellungsorte sind eigentlich die Straßen dieser Welt. Dort erregt er auch Aufmerksamkeit bei jenen, die sonst keine Museen besuchen. Berühmt wurde JR durch Fotografien unbekannter Personen, die er in zum Teil monumentalen Formate auf Häuserfronten, Züge, Containerschiffe oder Grenzmauern plakatiert. Im Fokus stehen oft Menschen, deren Würde und Rechte übergangen werden. Ihnen verleiht JR mit seiner Kunst auf ebenso scharfsinnige wie einfühlsame Weise Sichtbarkeit.
Anhand von ausgewählten Fotografien, Videos, Modellen und großflächigen Plakatierungen (Pastings) machte die multimediale Ausstellung JRs nur auf begrenzte Dauer angelegte Projekte nochmals erlebbar. (Text: Kunsthalle München)
Für die Retrospektive wanderten die zwei berühmten JR-Werke „Mr. Ma“ sowie „Brandenburg Gate“ temporär als Leihgaben in die Kunsthalle München.
„Brandenburg Gate“ aus JR`s Projektreihe Giants
Die Arbeiten von JR drehen sich um Mauern. Mauern, die langsam zerbröckeln und zerstört werden. Aber auch Mauern, die Menschen aufbauen, sei es aus Materialien wie Stein und Beton, sowie in ihren Köpfen. Auch die Thematik Maueröffnung wurde in Berlin Teil seines Projektes „Giants“. Für den deutschen Nationalfeiertag zur Wiedervereinigung am 3.Oktober 1990 schuf JR im September 2018 eine riesige Collage. Er bespielte das Brandenburger Tor mit Archivfotos von Iris Hesse aus der Nacht des Mauerfalls im November 1989. Die Installation zeigte jubelnde Berliner auf der Mauer, beobachtet von vor ihnen stehenden Grenzsoldaten. Eine zentrale Position nimmt das Wort „Freedom“ ein, das mittig in Großbuchstaben zu sehen ist.
JR IN DER "25 Years"- AUSSTELLUNG IM MUCA MÜNCHEN
Im MUCA war in der Jubiläumsausstellung (06.10.2022 – 10.09.2023) ein Foto zu der Projektreihe „Women are heroes“ sowie „Brandenburg Gate“ (dieses Werk war auch in der JR-Retrospektive der Kunsthalle als Leihgaben der MUCA zu sehen) ausgestellt.
Die bekanntesten Projekte von JR
Inside Out
Mit Inside Out startete der Künstler JR im Jahre 2011 in eine neue Phase: Er bewegte sich weg vom Schaffen und Installieren eigener Fotografien und entwickelte getrieben von der Frage: „Kann Kunst die Welt verändern?“ die Vision eines globalen Teilhabe-Projektes.
Über die Website www.insideoutproject.net haben bis heute über 445.000 interessierte Einzelpersonen und Gruppen aus 138 Ländern partizipativ an diesem Projekt teilgenommen. Jede/r Teilnehmende übermittelt sein/ihr Porträt an JR’s Studio. Die Portraits werden großflächig als Poster ausgedruckt und an die Teilnehmenden zurückgesendet. Diese wiederum bringen die Prints dann als so genannte „Pasting Aktion“ an Örtlichkeiten innerhalb ihrer Community an.
Mit diesem Projekt will JR jedem die Möglichkeit geben, sein persönliches Statement, transportiert durch ein Foto, mit der Welt zu teilen. Die Aktionen werden auf der Website bis heute weiter dokumentiert und ausgestellt.
Erstes JR-Großprojekt: „Portrait of a Generation“
Das erste Großprojekt, „Portrait of a Generation“, startete JR im Jahr 2005 als Reaktion auf die Unruhen in Pariser Vororten.Zur Entstehung des Projektes produzierte er mit Freundin Ladj Ly den Kurzfilm „Clichés de Ghetto“. Er fotografierte die lustigen Grimassen seiner Freunde aus diesen Bezirken, die auf ironische Weise mit ihrer Präsentation in den Medien spielten. JR hängte diese Portraits großformatig in den noblen Stadtteilen auf. Durch den Kontrast bewegte er Passanten dazu, die mediale Präsenz dieser Unruhestifter zu hinterfragen.
Face 2 Face
Die Aktion in Paris legte den Grundstein für JRs weitere Arbeitsweise. Im Jahr 2007 folgte mit Face 2 Face seine größte illegale Ausstellung, eine Reaktion auf den Nahostkonflikt. JR portraitierte in Nahaufnahmen Menschen aus Israel und Palästina, die derselben Berufsgruppe angehörten und hängte sie nebeneinander in acht Städten Israels und Palästinas. Die meisten Gesichter wiesen so viele Ähnlichkeiten auf, dass Betrachter*innen sie nicht unterscheiden konnten.
Women Are Heroes
JR bringt Kunst an jene Orte, in denen es keine Museen gibt. So auch in seinem „Women Are Heroes“- Projekt, welches bis heute die Dächer des Kibera Slums in Nairobi und die Häuserfassaden der Armenvierteln Rio de Janeiros schmückt. Mit diesem Projekt möchte JR auf die zentrale Rolle und den Wert von Frauen in der Gesellschaft aufmerksam machen. Er fotografierte dazu die Frauen in ihrem alltäglichem Umfeld.
The Wrinkles of the City
Das Projekt „The Wrinkles of the City“ präsentiert JR seit 2008 in unterschiedlichen Städten rund um die Welt, wie Shanghai, Los Angeles oder Berlin. Die Werke zeigen großformatige Fotos von lebenserfahrenen Menschen. Die menschlichen „Falten“ verstärkt JR, indem er eine architektonische Umgebung und Untergründe wählt, die ebenfalls eine „faltige“ Struktur aufweisen. Oftmals schauen seine Gesichter in schwarz-weiß von den Wänden verfallener Häuser oder auch Mauern, die sich aus einzelnen Steinen zusammensetzen. Das Ziel des Projekts: Symbolisch die Geschichte derer auf die Wände bringen, die den sozialen Wandel und die historischen Veränderungen der Städte miterlebt haben.
Giants
Das Projekt Giants rief JR zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro ins Leben: Eine Serie monumentaler Foto-Installationen auf Gerüsten. Sie zeigten nicht die weltberühmten Sportler der Wettkämpfe, sondern weniger bekannte Athleten. JR baute diese auf Gerüsten aufgespannte Installationen weiter aus.
JR’s Projekte in Deutschland
2013 verwirklichte JR sein Projekt „Wrinkles of the City“ auf den Wänden Berlins, häufig an Bahnhofsgebäuden oder großen alten Industriehallen. So schauen beispielsweise vom S-Bahnhofgebäude Warschauer Straße oder den Bauten des AEG-Geländes in der Gustav-Meyer-Allee seine „faltigen“ Gesichter über die Hauptstadt.
Im Rahmen einer retrospektiven Ausstellung über JR im Frieda Burda Museum, brachte der Künstler 2014 das Projekt „Unframed“ in den Baden-Badener Stadtraum. Für Unframed verwendete er Fotos aus Archiven und privaten Fotoalben bekannter und unbekannter Fotografen. In Baden-Baden thematisiert er in seinen öffentlichen Werken die deutsch-französische Geschichte und Freundschaft.
Zum dreitägigen Bürgerfest anlässlich des Tags der Deutschen Einheit 2018 gestaltete JR das Brandenburger Tor als Teil seines Projekts „Giants“ mit einer riesigen Foto-Installation.
Weitere Projekte weltweit
JR’s Werke wurden auch im Louvre und dem Palais de Tokyo ausgestellt. Neben seinen Fotoarbeiten entwarf er mit dem New York City Ballett ein eigenes Ballettstück, Les Bosquets, und drehte mehrere Filme, darunter Augenblicke, der 2018 für den Oscar als bester Dokumentarfilm nominiert wurde.