Bunte Schriften, kunstvoll bemalte Fassaden und Wände sowie ganze Züge, die vollständig gestaltet wurden – Graffiti ist überall im Stadtbild zu finden. Das gilt ganz besonders für München, die als „Writer Stadt“ gilt.
Bereits in den 80er Jahren wurde hier die Szene in Deutschland geprägt. Noch vor Berlin oder anderen Städten war es München, wo eine junge Graffiti-Crew einen S-Bahn-Zug in ganzer Länge besprüht hatte („Wholetrain“).
Auch ist München bekannt für seine so genannten „Hall of Fames“, die teilweise noch heute in der Stadt zu finden sind.
Auch die Dachauer Straße, an der das KUNSTLABOR 2 liegt, hat in der Street Art Historie einen hohen Stellenwert. Dort lag bis 1989 Europas größte „Hall of Fame“ (HOF). HOF bezeichnet in der Graffiti- und Street-Art-Szene legal bemalbare Wände, die immer wieder neugestaltet werden.
Nach dem Rotations-Prinzip kristallisierten sich im Laufe der Zeit immer wieder neue Werke heraus. Diese eigene Dynamik kann einerseits kompetitiv verstanden werden, ist aber vor allem von hohem Respekt für die Entstehung der Werke anderer geprägt.
Diese Philosophie spiegelt sich in dem Gestaltungsprozess der Fassade des KUNSTLABOR 2 im ehemaligen Gesundheitshaus an der Dachauer Straße 90 wider.
Als Hommage an „die Dachauer der 80er“ fungiert die Außenhaut ebenfalls als HOF. Die Fassade wird legal und kostenfrei von den Betreibern des KUNSTLABOR 2 für Künstler*innen zur Verfügung gestellt. Das KUNSTLABOR 2 unterstützt damit die Idee, gleichsam renommierten wie auch noch unbekannten Künstler*innen eine gestalterische Plattform zu geben.
Aktuell ist an der Fassade ein Gemeinschaftswerk des international bekannten, fotorealistischen Sprayers Case Maclaim (alias Andreas von Chrzanowski) und dem Newcomer und Tattoo-Künstler Pepe (alias Jose Luis Villanueva Contreras) zu sehen. Auch zukünftig werden Besucher*innen des KUNSTLABOR 2 die sich immer wieder verändernde Gestaltung der HOF live verfolgen können.
Um die Geschichte des Graffitis zu beschreiben, muss man eine kleine Reise in die Vergangenheit machen. Denn Graffitis wurden schon in der Antike umgesetzt und an verschiedenen Stellen gefunden. Seit rund 6.000 Jahren gibt es Graffiti schon, denn selbst die alten Ägypter haben früher Inschriften auf Steine, Mauern und Gebäude gekratzt. So sind die ersten Graffiti entstanden, die nicht mehr aus der Geschichte wegzudenken sind. Manchmal war es nur ein Kürzel eines Namens, manchmal ein Datum, oft steckte für die jeweilige Person mehr dahinter als im Anschluss erkennbar war. Fest steht: Graffitis sind so alt wie die Menschheit. Der Wunsch, sich mit kleinen und größeren Kunstwerken an Wänden, Bauwerken oder Bäumen zu verewigen, ist daher ganz normal und reicht lange zurück. Doch erst in der Neuzeit wurde Graffiti regelrecht Salonfähig und konnte sich von früheren Kritzeleien, die als bedeutungslos oder weniger wichtig galten, abheben.
Für die einen ist Graffiti illegal und einfach nur Vandalismus, für Fans ist es Kunst mit einem besonderen Ausdruck: Bilder, Zeichen, einzelne Schriftzüge: Graffiti ist vielseitig und kann von einem Kürzel des Künstlers bis hin zu aussagekräftigen Bildern reichen. Üblich ist es, dass Graffiti mit Sprühdosen angefertigt werden. Daher stammt der Begriff Sprayer, also Sprüher, da ein Graffiti mit farbigen Sprühdosen auf die Oberfläche gesprüht wird. Zu Graffiti zählt aber auch das Scratching, bei dem in Oberflächen Schriftzüge und Bilder eingeritzt werden. Diese Variante von Graffiti ist älter als es bei mit Farbdosen gesprühten Bildern und Tags der Fall ist.
Ein Graffiti Tag ist eine Art Unterschrift, ein Kürzel, welches das Pseudonym des Künstlers umfasst. Mit einem Tag verewigt sich der Künstler auf der Oberfläche, genutzt werden sie aber genauso, um bei einer Gang das jeweilige Revier zu markieren. Wer sich auskennt, stellt durch Tags fest, welches Revier vorhanden ist und wer sich vor Ort aufhält.
Ein Unterschied zum klassischen Graffiti Tag ist hingegen die Streetart, bei der es vielmehr um Bilder, um Ausdruck und um Botschaften geht. Im Normalfall beinhalten diese oft als Kunstwerke angesehenen Bilder ebenfalls Tags als eine Art Unterschrift des Künstlers.
Üblich ist beim Graffiti das sogenannte „Writing“, gerne auch „Style-Writing“ genannt. Hierbei werden Schriftzüge und Bilder ästhetisch ansprechend dargestellt und auf einer Oberfläche verewigt. Künstler, die einen guten Stil haben und sich von anderen abheben, bekommen mehr Anerkennung als solche, die zwar tolle Bilder machen, dafür aber keinen besonderen Style aufweisen.
Als Arbeitsmaterial werden im Normalfall klassische Sprühdosen aber auch Acryl-Stifte verwendet, die bunte Farben enthalten. Damit können Graffiti viel mehr als nur Schwarz oder Weiß sein, da die Möglichkeit besteht, alle nur denkbaren Farben einzusetzen.
Einfache und weniger aufwendig gestaltete Graffiti Tags gehören zum Beispiel zu den Gang-Graffitis sowie zur Ultra-Bewegung, die bei den italienischen Fußballfans erstmals beobachtet wurden. Abgesehen von diesen beiden Bewegungen sind Graffiti eher künstlerisch anspruchsvoll gestaltet, wollen ästhetisch wirken und eine Botschaft mitteilen. Damit ist ein echter Expertenblick auf Künstler wichtig, um zwischen einfachen Gang- oder Fußball-Graffitis und der Kunstform zu unterscheiden, zu der Streetart ohne Frage zu zählen ist.
Das vielleicht bekannteste Graffiti überhaupt war sicherlich das Peace-Zeichen, welches in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts plötzlich überall zu finden war. Das gesprayte Zeichen war Grundlage für viele weitere Graffiti, die sich in den 80er Jahren stärker durchsetzen konnten. Wo genau die Grundlage für moderne Graffiti zu finden ist, ist aber nicht ganz klar.
Mit zu den Vorreitern für die Bewegung wird New York gezählt, eine echte Hochburg für Graffiti-Künstler in den 80er Jahren. Doch die Bewegung schwappte nach Europa rüber und gerade in München wurden Graffitis stärker umgesetzt. So war es München, wo der erste Zug vollständig in Graffitis eingehüllt wurde und von da an ging die Bewegung immer weiter.
Interessant ist dabei, dass aus New York stärker die Writing-Kultur herüber schwappte und sich die Graffiti Bewegung in Europa unterschiedlich zu den USA entwickelte. Das führt dazu, dass in Europa mehr bildliche Graffiti zu finden waren und sich vor allem in Paris stark entwickelten. Bis heute ist auch Paris mit eines der Zentren für Graffiti und Streetart und bietet eine Vielzahl von sehenswerten Ausdrucksformen.
Heute ist Streetart anspruchsvoller, entspricht häufig echter Kunst und ist mehr als das reine Setzen eines Pseudonyms auf einer privaten oder öffentlichen Fläche. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt durch den stärkeren Blick auf Kunstwerke in Metropolen und die wachsende Akzeptanz der Bevölkerung zurückzuführen.
In den 80er und 90er Jahren war Graffiti vor allem eines: strafbar! Wer dabei erwischt wurde, Wände, Treppen, Fassaden oder Züge zu besprühen, machte sich strafbar und wurde als Vandalist gejagt. Die Geldstrafen fielen entsprechend hoch aus und es dauerte mehrere Jahre, bis Graffiti immer mehr als Ausdruck der Kunst angesehen wurde. Doch dabei ist zu beachten, dass es nur erlaubt ist, wenn eine Genehmigung vorliegt. Wer einfach nur Wände besprüht, ohne dies wirklich zu dürfen, muss beim Erwischen mit Geldstrafen rechnen. Doch immer häufiger ist es für private Personen genau wie im öffentlichen Raum möglich, Graffiti nach Absprache zu sprühen. Der Grundgedanke, sich mit Tags zu verewigen und dafür einfach die jeweilige Fläche zu nutzen, die vorhanden ist, ist aber in jedem Fall illegal.
Einer der wohl bekanntesten „Urgesteine“ in München ist der Graffiti Künstler Mathias Köhler, der mit seiner Crew den ersten Wholetrain Europas im Jahr 1985 besprühte („Geltendorfer Zug“). Heute ist Mathias Köhler unter seinem Pseudonym „Loomit“ weit über München hinaus bekannt und gehört mit zu den bekanntesten Künstler*innen weltweit.
Im KUNSTLABOR 2 haben mehr als 100 nahmhafte Künstler*innen der Räumen gestaltet. Hier sind neben Loomit auch zahlreiche weitere lokale Größen der Szene mit ihrer Kunst vertreten, wie etwa Eliot the Super.
Wenn es eine Stadt in Deutschland gibt, die Streetart bietet und dabei noch völlig unterschätzt wird, handelt es sich um München. Sonst denkt man bei Graffiti und Deutschland sofort an Berlin, aber die Streetart Szene München ist in Kennerkreisen ziemlich berühmt. Und ein Fakt den die meisten nicht wussten: München gilt als Vorreiter der europäischen Street Art Szene!
Im Rahmen unserer MUCA Bike Streetart Tour ist es möglich, die besten Graffiti Orte der Stadt zu entdecken. Passend dazu sind im MUCA-Museum weitere Highlights für alle zu finden, die sich für Streetart und Graffiti genau wie für die Geschichte, Verbreitung und die bekanntesten Künstler interessieren.
Die Wahrnehmung von Graffiti in der Öffentlichkeit hat sich geändert und ist deutlich entspannter geworden. Trotzdem kommt es gerade in Ländern wie in Deutschland weiterhin vor, dass Graffiti als Vandalismus gelten, abgelehnt werden und gerne von öffentlicher Seite überstrichen werden.
Es kann aber auch anders sein, denn viele Menschen empfinden vor allem kunstvoll gestaltete Bilder, Wände und Fassaden als echte Kunst. Die Suche nach Streetart, den besten Bildern mit einer Kamera (oder dem Smartphone) in der Hand, ist daher immer wieder ein Erlebnis für alle Fans von Graffiti. Daher lassen sich die bunten Bilder und Schriftzüge nicht einseitig ansehen, da es immer geteilte Meinungen und hitzige Diskussionen rund um dieses Thema geben wird.
Fest steht aber auch, dass Graffiti aus der Öffentlichkeit einfach nicht mehr wegzudenken sind. Dafür reicht es schon aus, sich bei einer Tour durch eine Stadt wie München auf die Umgebung zu konzentrieren – und die Künstler haben viel zu erzählen, wie sich zeigt.